Mittwoch, 12. Juni 2013

Warum muss ich von Autismus geheilt werden?

Ich habe einen erschreckenden Bericht gelesen, in dem beschrieben wird wie Eltern ihren autistischen Kindern Bleichmittel(!!!!) oral und anal verabreichen. Damit wird, kurz zusammengefasst, Autismus aus dem Körper geheilt. Pures Entsetzen!!! Und die Frage, die mich immer wieder beschäftigt. Warum ist es vielen NT's so wichtig, dass Autismus 'heilbar' ist.

Ich bin ich. Eines meiner Lieblingslieder ist ' i am what i am, and what i am needs no excuses' von Gloria Gaynor. Nicht unbedingt der Musik wegen, sondern aufgrund des Textes. Es hat sehr lange gedauert bis ich diesen Satz auch annehmen konnte. Würde ich eine Heilung anstreben, dann heißt dies doch, dass ich mich selbst nicht möchte. Das Gleiche gilt für meinen autistischen Sohn. Es stellt sich mit die Frage, was Menschen an Autisten mögen, wenn sie den Autismus nicht mögen. Was bleibt übrig? Ich weiß nicht, wie sich ein NT fühlt, aber das muss ich doch auch gar nicht wissen. Wäre es nicht viel sinnvoller unsere Gesellschaft so zu gestalten, dass Individuen jeglicher Gattung miteinander leben können. Und warum wollen Eltern geheilte Autistenkinder? Wie sollte dieses Kind sein? Ist es wirklich immer nur der Blick aufs Kind oder sind es nicht oftmals eigene Wünsche, die ungefragt aufs Kind übertragen werden? Nur weil viele Autisten nicht geeignet kommunizieren können und ihren Willen kundtun wird oftmals aus Eigeninteresse über sie bestimmt.

Ich will damit keineswegs die Elternliebe in Abrede stellen und auch nicht div. Therapieformen die dem autistischen Menschen helfen sich besser zurechtzufinden. Es ist toll, dass es Mittel und Wege gibt die Autisten mit starker Kommunikationseinschränkung dabei helfen, sich mitzuteilen. Mein Sohn selbst wird auch gestützt.Aber dieses penetrante Suchen nach Heilung mit immer bizarreren Formen finde ich persönlich oftmals entsetzlich. Und Bleichmittel zu verabreichen ist meiner Meinung nach Körperverletzung.

Heute verlasse ich Dich mit sehr nachdenklichen Grüßen.

4 Kommentare:

  1. Hallo,

    habe den Blog zufällig in meine Augen bekommen, da ich nach "Autismus heilen" suchte.
    Ich habe schon so einiges Positives über eine Diät, indem man Gluten und Milch weglässt gehört. Aber das nur so nebenbei. Sie sind ja nicht daran interesiiert die Symptome von Autismus zu "heilen".
    Ich muss aber sagen, dass ich diesen Satz: " Nur weil viele Autisten nicht geeignet kommunizieren können und ihren Willen kundtun wird oftmals aus Eigeninteresse über sie bestimmt" sehr unpassend finde. Jede Mutter, jeder Vater möchte das Beste für sein Kind. Man bringt es zum Arzt wenn es Husten hat, oder klebt einen Pflaster auf die Wunde, wenn es gefallen ist. Das sind die Aufgaben der Eltern.Und das ist natürlich die Fürsorge. Diese Fürsorge sollte auch bei neurobiologischen "Krankheiten" (wobei ich Autismus nicht als Krankheit definieren möchte) weiter geführt werden. Wieso auch nicht. Sich mit Mitmenschen zu kommunizieren, und seinen eigenen Willen nicht kundzutun, finde ich persönlich und auch als Mutter wichtig. Es gibt ein türkisches Sprichwort: Wer nicht weint, dem gibt man keinen Schnuller...
    Also solche Sachen wie kommunizieren in einer Welt, wo es nun mal auch andere Menschen gibt, und man immer wieder mit ihnen konfrontiert wird, ist es ein grundstein zu einem Miteinander. Also wieso nicht versuchen, diese Symptome zu "heilen" oder rückgängig zu machen? Ausser man versucht es mit Bleichmittel...
    Einen schönen abend noch...

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    1. Ich bin eher zufällig über diesen Kommentar gestolpert und hatte das dringende Bedürfnis, mich zu äußern.

      Autisten sind NICHT krank. Autismus kann man NICHT mal eben mit einer Diät heilen. Man kann die "Symptome" weder heilen noch rückgängig machen. Autisten erleben die Welt anders als neurotypische Menschen. Auch Autisten kommunizieren, aber eben anders. Gesellschaftskonforme Verhaltensweisen werden eintrainiert, damit sie von der Gesellschaft wegen ihres "Anderssein" nicht ausgegrenzt werden.

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  2. Hallo. Ich habe einen autistischen Sohn (Kanner) der eine gfcf/Diät macht.Aber er musste niemals eine Konditionierung über sich ergehen lassen, wie sie MEINER MEINUNG NACH beispielsweise bei ABA passiert. Ich liebe meine. Sohn, so wie er ist, und deshalb muss sein Autismus nicht geheilt werden. Die Diöt zeigt bei ihm sehr große Erfolge, und er selbst fühlt sich damit wohl. Er gehört zu den Autisten die beinahe ohne Lautsprache sind, Deshalb habe ich ihm ab 3 Jahren Gebärdensprache beigebracht. Mit 8 Jahren hat er selbst großes Interesse an Kommunikation gezeigt und schreibt nun mit Hilfe eines Tablets. Er hat sich selbst schreiben, lesen und rechnen beigebracht. dann, als es für ihn wichtig war. Sie haben recht, ich habe keinerlei Interesse seine ihn ausmachenden Symptome zu "heilen" da dies bedeuten würde, ihn nicht zu wollen, sondern nur seine neurotypische Kopie.

    Deutschland hat der Inklusion zugestimmt. Im Gegensatz zur Integration geht es nicht darum, den Menschen so zu gestalten, dass er in die Gesellschaft passt, sondern die Gesellschaft so zu gestalten, dass der besondere Mensch darin zurecht kommt. Deshalb ist es an der Zeit, die Besonderheiten behinderter/ andersartiger Menschen anzuerkennen und ihnen in ihrer Andersartigkeit die Möglichkeit zu schaffen sich darin auszudrücken.
    Es gibt keine Heilung von Autisums. Es gibt eine Besserung bestimmter Symptome, aber am Wichtigsten ist die Annahme einer neurotuntypischen Besonderheit. Wer sich mit Versuchung einer Heilung beschäftigt verliert leicht ganz wichtige Lebenzeit und die Möglichkeit, von der Andersartigkeit zu profitieren. Wie gesagt, dies ist meine persönliche Meinung.

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  3. Huhu,

    danke für deinen wundervollen Artikel! Du machst mir Mut. Ich, Asperger-Autistin erwarte im Herbst mein erstes Kind und mache mir jetzt schon sehr viele Gedanken darüber wie ich die sozialen Hürden im Alltag mit Baby/Kind werde meisten können. Angefangen von dem anstehenden Geburtsvorbereitungs im Kurs in den nächsten Monaten über die Spielplatz und Kindergartenfeste in den kommenden Jahren. Ich kann dich total verstehen, dass dir die "versteckte" Angeber- und Vergleicherrei anderer Elternteile Schwierigkeiten bereitet. Würde mir genauso gehen.

    Ich habe lange darüber nachgedacht, ob es richtig ist als Asperger-Autistin ein Kind zu bekommen. Aber eines weiß ich schon jetzt, seit ich das Herzchen meines Kleinen gesehen haben, empfinde ich schon jetzt eine tiefe Liebe für mein werdendes Kind.

    Ich hoffe, dass in einigen Jahren auch mein Kinder über mich sagen wird, dass ich eine gute Mutter bin, obwohl ich sicherlich bis an mein Lebensende anders als andere Mütter sein werde.

    Autistische Grüße von mir an dich

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